Der zweite Teil meiner Reise durch Graubünden führte uns ins Safiental, welches sich vor einigen Jahren aus den Orten Safien, Tenna, Versam und Valendas zusammengeschlossen hat. Mitten im Naturpark Beverin liegt das Safiental eigentlich nur ein Tal östlicher als das Valsertal und man könnte theoretisch auch über den Walserweg dorthin wandern. Da wir aber eine ganze Truppe mit Gepäck waren, sind wir gemütlich mit dem Postauto dorthin gefahren.
Versam
Das Ziel der Reise war Versam, welches am Rande der Rheinschlucht liegt. Vom Postauto aus konnte ich bereits die kleine Kirche sehen und hab mich direkt nach der Ankunft im Gasthof auf den Weg dorthin gemacht, um den letzten Rest Sonne einzufangen. Rund um die kleine Kirche war der Schnee schon geschmolzen ich hab dort die ersten Frühlingsboten entdeckt.
Gasthaus Rössli
Untergebracht waren wir im Gasthaus Rössli, welches einen Blick in die nicht weniger spektakuläre Schlucht des Rabiusas bietet, der später in den Rhein fließt.
Der erste Abend dort wurde mit einem regionalen Abendessen, bestehend aus einem Salat mit Bündnerfleisch, Capuns (mit Teig gefüllte Mangoldblätter) und Röteli auf Vanilleeis abgeschlossen. Ja, so lässt es sich leben 😉
Tenna
Am nächsten Morgen ging es nach Tenna. Von Versam aus ist man innerhalb von 20 Minuten mit dem Postauto dort. Die Strecke ist recht schmal und kurvenreich und links geht es ordentlich steil runter… 😯
Der Fahrer lotste den Bus jedoch souverän über die Straße. Was mich überraschte: es gibt einen Abzweig nach Tenna, an dem ein kleineres Postauto bereit steht und wir problemlos umsteigen konnten. Pünktlich sind sie ja, die Schweizer. Links und rechts entdeckten wir Rehe im Schnee und je höher wir kamen, um so mehr Schnee lag dort.
Tenna mit seinen grade mal 100 Einwohnern liegt auf einer Sonnenterrasse und ist noch ordentlich mit Schnee bedeckt. Rundherum hat man den Blick auf eine herrliche Bergwelt und der blaue Himmel tut sein übriges, dieses kleine und schmucke Dorf im besten Licht erscheinen zu lassen.
Von der Busstation sind es noch ein paar hundert Meter bis zum Skilift und auch Jörg und ich nahmen an der Vorstellung des weltweit ersten Solarskiliftes durch Edi Schaufelberger teil. Ich selber bin ja so überhaupt kein Fan von Skigebieten, da diese meist mit einem Raubbau an der Natur verbunden sind…
Nicht so hier: der Lift selber ist grade mal 450m lang und es gibt insgesamt nur knapp 5 km Pisten, die auch gern von Familien in Anspruch genommen werden. Betrieben wird der Lift mit Solarenergie und produziert deutlich mehr, als er verbraucht.
Die Strecke wird auch nicht künstlich beschneit und Mitte März wird die Saison beendet. Egal, ob noch Schnee liegt oder nicht. Denn dann ist die Zeit der Mountainbikefahrer und der Skitourengeher. Das nenn ich sanften und nachhaltigen Tourismus.
Während die anderen sich auf die Piste wagen, geht es für Jörg und mich gemeinsam mit Jakob Bardill zu der Dorfbesichtigung. Jakob, der selber hier lebt, zeigt uns die wichtigsten Gebäude und erklärt uns die Umgebung.
Gemeinsam geht es in die wunderschön anmutende Kirche, die dem heiligen Valentin geweiht ist und Jakob zeigt uns die wertvollen Wandmalereien, die während der Reformation zugepinselt und erst 1957 wieder entdeckt wurden. 2001 wurde hier aufwändig restauriert.
Dann geht es wieder hinaus und der Schnee knarzt unter meinen Sohlen. Wir wandern gemeinsam hinauf und haben einen traumhaften Blick auf die Berge und in das urige Tal.
Jeder stapft so vor sich in und es werden Fotos gemacht. An einer Bank, direkt an der Piste kommt Petra auf Skiern herangerauscht und zieht nach einem kurzen Plausch wieder ihre Schwünge durch den Schnee.
Ich frag Jakob nach dem Grat auf der gegenüberliegenden Seite. Ja, da gibt es einen Wanderweg. Der Heinzenberger Gratwanderweg ist gut 18km lang und hat gut 1.000 hm mit einer Wanderzeit von ca. 6h.
Es kitzelt mich in den Füßen, aber das ist wohl eher was für den Sommer. Von dort hat man garantiert einen traumhaften Blick hier nach Tenna rüber.
Wir drehen noch eine Runde im Schnee und machen uns dann auf zur Pension Alpenblick, wo wir mit den anderen zum Mittagessen verabredet sind.
Noch ein herzliches Dankeschön an Jakob und schon sitzen wir in der Sonne und lassen den lieben Gott einen guten Mann sein. Ist das herrlich hier. Alles so entspannt irgendwie.
Dann suchen wir in Ruhe aus der Karte aus und besichtigen das neu renovierte Untergeschoss des Gasthauses. Hier kann man auch übernachten und die Zimmer werden in den kommenden Jahren ebenfalls renoviert. Danach lassen wir es uns schmecken und nehmen das Postauto zurück nach Versam.
Die Rheinschlucht
Eigentlich hätten wir jetzt knapp 1,5 Std. Freizeit, aber wenn ich schonmal da bin, möchte ich mir auch die Rheinschlucht ansehen. Jörg ist ebenfalls mit dabei und so laufen wir von der Bushaltestelle kurz durch den Ort und den etwas langweiligen und langen Weg hinab bis zur Aussichtsplattform Islabord. Der Weg hat sich jedenfalls gelohnt, denn die Aussicht von dort oben ist einfach genial.
Schon auf der Hinreise sind wir mit der Bahn durch die Schlucht gefahren und ich hab nur ein „Boar“ auf den Lippen gehabt. Von hier oben sieht es noch deutlich spektakulärer aus.
Wir machen ein paar Fotos und dann auf den Rückweg. Ob wir das zeitlich schaffen?
Schade, der Bus ist grade weg, doch da kommt ein Auto. Eigentlich mehr aus Spaß halten wir den Daumen raus und der Fahrer hält sofort an. „Wir möchten gern nach Versam“, sagen wir und kommen ins Gespräch. Doch statt uns einfach vorne an der Straße rauzulassen, bringt er uns sogar bis zum Gasthaus Rössli. Ich stelle fest: nicht nur pünktlich, sondern auch freundlich und hilfsbereit sind sie, die Schweizer 😉
Schneeschuhwanderung mit dem Wildhüter
Auf den Programmpunkt hab ich mich ganz besonders gefreut: endlich die Schneeschuhe an und loslaufen. Mit dem Postauto geht es wieder tief ins Safiental hinein.
Jörg hatte rausbekommen, das irgendwo auf der Strecke die Lamas für geführte Trekkingtouren stehen. Petra fragt den Busfahrer, ob wir evtl. dort kurz ein Foto machen können und prompt hält er an, lässt uns alle aussteigen und fotografieren.
Auch ein Stück weiter häng ich mit der Kamera am Fenster um die Berge abzulichten. Abermals hält er an und lässt mich aussteigen. Ob ein Busfahrer in Deutschland das machen würde?
Trotz der ganzen Stopps kommen wir pünktlich am Treffpunkt an. Paul Gartmann, der Wildhüter wartet bereits mit den Schneeschuhen auf uns und es folgt eine kurze Begrüßung und Einweisung. Dann geht es los und die ersten Höhenmeter werden gemacht. Wir folgen dem Schneeschuhtrail in Richtung Camana durch den Wald hinauf.
Paul bleibt stehen und erzählt uns was zur Region. Hier im Bereich ist eher das Rehwild und die Schneehasen unterwegs, während auf der anderen Talseite vermehrt das Steinwild anzutreffen ist.
Fragen werden gestellt und beantwortet und dann dürfen wir uns wieder warmlaufen.
Die Spur führt stetig hinauf und einige Zeit später haben wir von weiter oben einen herrlichen Blick auf die gegenüberliegende Bergkette, die nun durch die Sonne in ein orange-rosa getaucht ist.
Paul erklärt uns den Unterschied zwischen Geweih (Cerviden) und Horn (Boviden) und zaubert aus seinem Rucksack sogar einige Beispiele zum anfassen.
Neugierig werden die Exemplare betrachtet und Fragen gestellt.
Mit seiner ruhigen und gelassenen Art steht Paul Rede und Antwort.
Mich interessiert insbesondere, wie es hier mit Schutzzonen für das Wild aussieht. Aus dem Grunde wurden hier in der Region 4 Schneeschuhtrails angelegt, auf die das Wild sich einstellen kann und somit genug Rückzugsmöglichkeiten hat.
Paul erklärt, das es gut sein kann, das grade mal 50m weiter die Rehe stehen und uns zuschauen, weil sie sich durch den markierten Weg sicher fühlen.
Wir bleiben auf gleicher Höhe und nähern uns Camana, noch ein letzter Anstieg und bald haben wir die Straße erreicht. Wir entledigen uns der Schneeschuhe und legen die letzten hundert Meter auf der Straße zurück.
Noch ein letzter Blick auf dieses phantastische Licht.
Im Hotel Camana, erwartet uns ein zünftiges Käseraclette. Paul trinkt noch ein Bier mit uns und verabschiedet sich.
Dann geht es ans Essen und wir haben die Auswahl zwischen 4 Käsesorten, diversen Beilagen und Kartoffeln.
Der Käse wird von den Gastgebern im Sommer selber auf der Alm hergestellt. In der Schweiz wird zum Raclette gerne Tee serviert, welcher für eine bessere Bekömmlichkeit sorgt. Dazu gibt es regionale Liköre. So lassen wir diesen Abend gemütlich und gut gesättigt ausklingen.
Nochmal Tenna und Rückreise
Am Sonntag geht ein weiteres Mal mit der ganzen Truppe nach Tenna. Die anderen bleiben noch einen Tag, Jörg und ich starten von dort die Rückreise. Mit gepackten Koffern geht es also wieder mit dem Bus hinauf. Den Fahrer des zweiten Busses nach Tenna hinauf kennen wir doch: das ist unser „Fotostopp-Fahrer“ von gestern. Kurz vor der Ankunft erzählt er was von „Um 14 Uhr geht es dann wieder zurück“.
Wie jetzt? Wir wollten eigentlich um 12 Uhr laut Plan wieder hinunter fahren, aber der Bus muss wohl vorher reserviert werden. Panik macht sich breit, da wir sonst den Anschluss nicht schaffen und unseren Flieger verpassen… Und nun?
Der Fahrer bleibt gelassen und bietet uns an, dass er uns um 11 Uhr mit seinem Privatwagen zum Zug bringen kann. So reicht es zwar nicht mehr für eine Schneeschuhtour, aber wir können am Skilift immerhin noch ein wenig Sonne tanken und mit den anderen einen Abschiedskaffee trinken.
Der entspannteste Postautofahrer des Safientals bringt uns zum Zug nach Bonaduz und 10 Minuten später geht es für uns weiter nach Chur.
Chur
Da wir noch genügend Zeit haben, bis der Flieger geht, hat Petra uns empfohlen uns die Stadt anzusehen.
Ich bin ganz angetan, denn Chur ist nicht so riesig groß, hat gut 34.000 Einwohner und ist rundum von Bergen umgeben. Mich hat es irgendwie an Meran erinnert.
So viel will ich gar nicht erzählen, aber wer die Möglichkeit hat, dort einen Zwischenstopp einzulegen, sollte das tun. Den Rest zeigen dann einfach die Bilder:
Mein Fazit & Tipps
Wenn ich früher gewusst hätte, das es so kleine und feine Skigebiete gibt, bei denen die Natur im Vordergrund steht, wär ich vielleicht vor vielen Jahren auch ein Skihase geworden 😉
(Übrigens läuft am 30.3 auf Arte ein Bericht über verträglichen Skitourismus u.a. auch über den Solarskilift)
Aber auch ohne Skier hat man dort vielfältige Möglichkeiten. Am Skilift in Tenna kann man sich Schneeschuhe ausleihen und damit in 1,5 Std. zu einer der Hütten weiter oberhalb gelangen.
In der Umgebung von Camana, sowie weiter südlich bei Thalkirch, gibt es insgesamt 4 markierte Schneeschuhtrails. Hier eine Übersichtskarte (PDF) in der auch die Ruhezonen eingezeichnet sind.
Auf jeden Fall sollte man sich die Rheinschlucht von einer der zahlreichen Aussichtsplattformen anschauen. Selbst wer nicht mit der Bahn anreist, die Strecke zwischen Ilams und Chur (nicht die Stadtbesichtigung vergessen) unbedingt mal mit der Bahn fahren. Dort geht es unten durch die Schlucht durch. Ansonsten gibt es MTB-Strecken, Angebote für Kanu & Rafting und Shuttlebusse die einem zum Ausgangspunkt bringen.
Was mir an dieser Medienreise ganz besonders gefallen hat, das wir Blogger auch mit den Öffentlichen unterwegs waren und so Land & Leute deutlich besser kennenlernen konnten.
So ergaben sich viele nette und lustige Begegnungen, die eine Reise – auch wenn sie noch so kurz ist – einfach rund machen.
Ich habe herzliche, freundliche & hilfsbereite Menschen kennengelernt. Irgendwie sind die ja auch „Rheinländer“… vielleicht hat es deswegen so gut gepasst 😉
Man hat irgendwie das Gefühl, die Einheimischen sind da selber in Urlaub. Entschleunigung pur!
Auch die Anreise in die Schweiz mit Flug, Bahn und Bus war – trotz einiger Umstiege – von Tür zu Tür deutlich flotter und stressfreier als mit dem Auto. Vor allem mit einem so kurzweiligen und unterhaltsamen Reisepartner, wie Jörg es ist 😉
Ich bedanke mich in erster Linie bei Graubünden Ferien und der tollen Vor-Ort-Betreuung von Petra Fausch und natürlich bei meinen Bloggerkollegen für 5 ereignisreiche Tage: Jörg von der Outdoorseite, Andreas von Gipfelfieber und Timo von Bruder Leichtfuß, deren Berichte ich später hier verlinken werde. Hier der Beitrag von Andreas (Gipfelfieber) zum Safiental.
Ich denke, dieses Bild drückt ganz gut aus, wie es mir in Graubünden gefallen hat 🙂
Arevair Schweiz… auf hoffentlich bald!
Disclaimer: Ich wurde von Graubünden Ferien zu dieser Reise eingeladen. Einen Teil der Kosten hat Safiental Tourismus übernommen. Die Anreise wurde durch Schweiz Tourismus und Swiss sowie Swiss Travel System übernommen.
Pingback: Vals das Bergdorf: Natur erleben & genießen | WandernBonn.de
Sehr schöner Bericht, wie immer. Ich bin auch für sanften Tourismus, denn der Raubbau an der Natur wird sich irgendwann rächen, und sich dann gegen uns wenden.
Das Rheintal ist bestimmt eine Reise wert.
Gruß Rolf
Dank Dir Rolf.
Ja, mancher Skifahrer sollte vielleicht mal im Sommer in den großen Skigebieten unterwegs sein.
Schneekanonen und breite Wiesen sehen einfach schrecklich aus… 😦
Viele Grüße Angelica
na dann wieder nach deinem Wintergastspiel,
willkommen im Rheinischen Frühling 😉
Naja… der lässt sich ja noch ein bisschen Zeit 😉
Herzlichen Dank & liebe Grüße Angelica
Pingback: Safiental - Wo die Uhren rückwärts und doch vorwärts gehen
Pingback: Leichter Kletter-Daypack: Lowe Alpine Attack 25 | OUTDOORSEITE